Das Volksbegehren gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP sowie das Dienstleistungsabkommen TiSA war ein voller Erfolg. Doch die SPÖ spielt ein doppeltes Spiel, wie bei CETA deutlich wird: Sie spielte Widerstand vor und stimmte dann doch bereits mehrmals dafür.
Text: Klaus Faißner
Der Jubel war groß: Hauptinitiator Herbert Thumpser, Bürgermeister von Traisen und SPÖ-Abgeordneter im niederösterreichischen Landtag, zeigte sich angesichts des sensationellen Ergebnisses "sprachlos". Tatsächlich gab es seit 13 Jahren kein ähnlich erfolgreiches Volksbegehren mehr: Über 560.000 Österreicher unterschrieben mit Ausweis auf der Gemeinde gegen die Abkommen, was 8,88 Prozent der Wahlberechtigten entspricht. Sie unterschrieben somit gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Wasser, gegen Gentechnik, gegen noch mehr Privilegien für Konzerne, für den Erhalt des Bauernstandes und gegen den Abbau von Arbeitnehmer- oder Umweltstandards. Eine breite Unterstützung hatte den Erfolg des Volksbegehrens möglich gemacht: Der Handelskonzern Spar machte ebenso dafür Werbung wie die Umweltschutzorganisationen Greenpeace und Global 2000, Teile der SPÖ mit Landeshauptmann Hans Niessl, die FPÖ, die Grünen sowie die überparteiliche Initiative Heimat & Umwelt.
In den nächsten Monaten kommt das Volksbegehren ins Parlament. Damit bekommt die SPÖ die x-te Chance, etwas gegen das bereits abgeschlossene EU-Kanada-Abkommen CETA zu unternehmen. Doch bislang spielte sie bei dem Thema von Anfang an ein Doppelspiel: Sie täuschte vor, gegen CETA & Co. zu sein, stimmte aber bislang immer dafür.
Fall 1: Kern pflanzt eigene Mitglieder: Im vorigen September ließ Bundeskanzler Christian Kern eine bundesweite SPÖ-Mitgliederbefragung zum Thema CETA durchführen. 14.387 Genossen nahmen teil und sprachen sich zu 88 Prozent dagegen aus, CETA auf EU-Ebene vorläufig in Kraft zu setzen. Laut Medienberichten kam die Idee von Kerns israelischem Berater Tal Silberstein, der als Meister der schmutzigen Kampagnen gilt. Trotz des klaren Neins der Parteibasis stimmte Kern als Bundeskanzler im Oktober in Brüssel für die vorläufige Inkraftsetzung von CETA. Als Tarnung bewirkte er eine unverbindliche Zusatzerklärung zum CETA-Text, die aber laut Experten nichts an dessen Inhalt ändert.
Fall 2: SPÖ-Bures gibt grünes Licht für CETA: Ebenfalls im vergangenen Oktober musste der österreichische Bundespräsident CETA zustimmen, damit Kern dazu in Brüssel ja sagen konnte. Nur: Zu diesem Zeitpunkt hatte Österreich keinen Bundespräsidenten, da Heinz Fischer nicht mehr im Amt war und es noch keine gültige Wahl zum neuen Staatsoberhaupt gegeben hatte. Also musste das Ersatzgremium entscheiden, das sich aus den drei Nationalratspräsidenten Doris Bures (SPÖ), Karlheinz Kopf (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) zusammensetzte. Hofer erklärte von Anfang an, gegen CETA zu stimmen. Hätte SPÖ-Nationalratspräsidentin Bures dasselbe gemacht, wäre CETA tot gewesen. Doch sie stimmte wie ihr ÖVP-Kollege dafür, sodass es eine 2:1-Mehrheit für CETA gab.
Fall 3: Unterstützung des CETA-Befürworters Van der Bellen: CETA war eines der wichtigsten Themen im Bundespräsidentenwahlkampf zwischen Hofer und Alexander Van der Bellen. Während Hofer immer gegen CETA war, plädierte Van der Bellen anfangs noch dafür, machte dann eine Wendung, um dann wieder viel Positives an CETA zu sehen. Hätte die SPÖ CETA zu Fall bringen wollen, so hätte sie Hofer im Wahlkampf unterstützen müssen. Doch sie machte bekanntlich das Gegenteil: Sie warb uneingeschränkt für Van der Bellen.
Fall 4: Anti-CETA-Volksbegehren: Da dieses mehr als 100.000 Unterschriften erhielt, muss es nun in den nächsten Monaten im österreichischen Parlament behandelt werden. Damit sind erstmals die Parlamentarier am Zug. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kündigte unmittelbar nach dem Ende des Volksbegehrens an, eine Volksabstimmung zu beantragen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die SPÖ einer solchen zustimmt.
Fall 5: Abstimmung im Nationalrat über endgültiges Inkrafttreten von CETA: Damit CETA in vollem Umfang in Kraft treten kann, muss - zusätzlich zur Behandlung des Volksbegehrens - wahrscheinlich noch das österreichische Parlament darüber abstimmen. Der Ball liegt wieder einmal bei der SPÖ: Würde bei der Abstimmung die Hälfte der SPÖ-Abgeordneten gegen CETA stimmen, so würde dies zusammen mit der FPÖ, den Grünen und dem Team Stronach eine notwendige Mehrheit ergeben. Dann wäre zumindest das vollständige Inkrafttreten mit privaten Schiedsgerichten verhindert. Allerdings ist ein solches Abstimmungsverhalten der SPÖ auch hier unwahrscheinlich.
Mit Nazi-Keule gegen Mitstreiter
Diese fünf Fälle zeigen: Die SPÖ hatte es bisher schon drei Mal in der Hand, CETA zu verhindern. Zumindest zwei weitere Chancen, das Abkommen zumindest teilweise zu verhindern und ihm damit so manchen Giftzahn zu ziehen, gibt es noch. Doch bislang deutet alles auf ein Tarnen und Täuschen der (eigenen) Wähler hin. Besonders deutlich machte dies der Hauptinitiator des Volksbegehrens Herbert Thumpser während der Eintragungswoche: Am 24. Jänner war er bei einer Veranstaltung der Initiative Heimat & Umwelt in Altlengbach (NÖ) eingeladen, zusammen mit Heinrich Wohlmeyer (ÖVP-nahe) und Norbert Hofer (FPÖ). 700 Menschen kamen - wahrscheinlich die größte Veranstaltung in Österreich während der gesamten Volksbegehrenswoche. Zweimal hatte Thumpser schriftlich zugesagt, um ganz knapp vor der Veranstaltung abzusagen. Mit der Nazi-Keule. Veranstalterin Inge Rauscher konnte die Feindseligkeit Thumpsers nicht fassen - schließlich hatte sie das Volksbegehren tatkräftig unterstützt und mit Mitstreitern der Initiative Heimat & Umwelt "50.000 Flugzettel auf eigene Kosten" verteilt. "Ich habe mit der Ini-tiative Heimat & Umwelt immer schon Volksbegehren - egal von welcher Partei - um der jeweiligen Sache willen unterstützt, wie unter anderem auch das EWR-Volksbegehren der Grünen 1991", so Rauscher. Überdies veranstaltete sie in den vergangenen 30 Jahren Hunderte Veranstaltungen, vor allem zum Thema EU-Austritt, bei denen es nie derartige Vorwürfe gegeben habe. "Um die strafrechtlich relevanten Anschuldigungen nicht auf mir sitzen zu lassen, muss ich gegen Herrn Thumpser rechtliche Schritte einleiten", erklärte sie.