Mit Alf Poier unter einem Dach

Foto: beigestellt

Er zählt zu den verrücktesten Kabarettisten des Landes, ist ein Querulant vor dem Herrn und ein unglaublich unterhaltsamer Gesprächspartner und Entertainer. alles roger? hatte die Ehre, mit Alf Poier über die Welt, das Leben und über Querdenker zu philosophieren.


Interview: Martina Bauer

Du nennst dich einen geistigen Queraussteiger. Wie hast du diesen Ausstieg geschafft?

Ich bin sehr ländlich-behütet aufgewachsen und hab mir als Jugendlicher nicht wirklich viele Gedanken über die Welt, den Sinn und das Sein gemacht. Erst als ich nach der Handelsakademie im Büro gesessen bin, hab ich mir gedacht: „Das kann doch nicht alles sein“. Dann hat meine Suche begonnen. Ich hab angefangen, mich mit Philosophie, Mystik, Psychologie et cetera zu beschäftigen. Ich wollte wissen, wer und was ich wirklich bin. Ich hatte keine Lust mehr, mein Leben in Arbeit und Freizeit einzuteilen. Ich wollte einfach nur leben und damit Geld verdienen. Dazu brauchte ich einen Beruf und keinen Job. Diese Berufung galt es zu finden.

alles roger? ist ein Magazin für Querdenker. Wir zünden auch ein querdenkerisches Feuerwerk. Wie findest du das?

Querdenken finde ich immer super, weil man damit vertikales in horizontales Denken umwandeln und damit verschiedene Begrifflichkeiten anders vernetzen kann. Das Problem beim Denken (dies inkludiert natürlich auch das Querdenken) ist immer das, dass es auch einen Denker geben muss, der denkt. Doch diesen Denker – wir nennen ihn Ich – gibt es nicht. Aus meiner Sicht ist die gesamte Menschheit schizophren. Das hat damit zu tun, dass man immer glaubt, es gäbe jemanden, der etwas erfährt, und jemand anderen, der sich über diese gemachten Erfahrungen Gedanken macht – unser sogenanntes Ich. Aber dieses Ich gibt es wie gesagt nicht. Es ist eine anerzogene Illusion. Wahres „Querdenken“ beginnt dort, wo dieses vermeintliche Ich nicht mehr existiert. Dann ist man selbst die Karotte, das Gras oder auch die linke Hasenpfote eines neugeborenen Steinzeitwolfes.

Was ist der Kern deiner dadaesken Kunst?

Metaphysische Verzweiflung. Da es kaum möglich ist, etwas zu behaupten, das unwiderlegbar ist, habe ich die Flucht in das Absurde angetreten. Meines Erachtens gibt es nur einen unwiderlegbaren Satz: Bewusstsein ist! Bewusstseinsinhalte jedoch sind immer diskutierbar. Dogmatik ist mir fremd. Glauben bedeutet immer zweifeln, und wer aufhören will zu zweifeln, der muss aufhören zu glauben. Was bleibt da noch übrig? Das Bewusstsein an sich und der größtmögliche Schwachsinn, den keiner versucht zu widerlegen. Jemand, der versucht, den Schwachsinn zu widerlegen, ist höchstwahrscheinlich selbst schwachsinnig. Am besten man lacht darüber – DADA.

Apropos Kern … Wie findest du macht sich der sozialistische Bundeskanzler im Maßanzug so?

Ich bin kein Fan von Maßanzügen – aber egal, wichtiger ist mir der Inhalt des Anzuges als der Anzug selbst. Grundsätzlich aber macht sich unser Kanzler gut im Maßanzug. Zumindest besser, als man sich das von einem Sozialisten erwarten würde. Vielleicht liebäugelt er auch schon mit einer Karriere als Lobbyist nach seiner Politlaufbahn. Unter Lobbyisten sollen Maßanzüge ja sehr hoch im Kurs stehen …

Interessiert dich Politik überhaupt? Wenn ja, wer wird Bundespräsident und warum? Und wenn der Bundespräsident wird, ist das dann auch deiner, oder gehörst du zu den anderen 50 Prozent Vollidioten?

Früher war mir Politik relativ egal. Mittlerweile aber interessiere ich mich immer mehr dafür, weil es für mich immer unerträglicher wird, dabei zuzusehen, wie alles den Bach runtergeht. Wer wird Millionär, wer wird Militär, wer wird Bundespräsident – ich weiß es nicht. Tatsächlich sollten sich all jene, die sich über den jeweiligen Gegenkandidaten aufregen und ihn am liebsten filetieren würden, darüber freuen, dass es überhaupt zwei Kandidaten zur Auswahl gibt. Ansonsten würden wir nämlich in einer Diktatur leben. So gesehen gehöre ich zu den wenigen Vollidioten, die sich bewusst sind, dass sie in einer Demokratie leben, und die bereit sind, jeden der beiden aufgestellten Kandidaten voll und ganz zu akzeptieren – wenn auch nicht zu goutieren.

Dir eilt der Ruf voraus, verrückt zu sein. Siehst du dich selbst auch so oder eher die anderen?

Ausnahmslos die anderen. Wirklich verrückt ist ja nur der, der nicht weiß, dass er verrückt ist. Ich fühle mich fast schon normaler als normal – also doch etwas abseits der normalen Normalität. Aber nicht verrückt im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern eher zurechtgerückt oder zumindest zu mir selber hingerückt. Verrückt ist aus meiner Sicht ja nur jemand, der von sich selber abgerückt ist.

Wann hat Alf Poier begonnen, verrückt zu werden?

Ich hab natürlich nie damit begonnen. Wenn ich nämlich begonnen hätte, verrückt zu werden, dann wäre ich ja nicht verrückt geworden, weil ich dann ja gewusst hätte, dass ich nicht verrückt werde, sondern bloß so tue. Wirklich verrückt wird ja nur jemand, der nicht weiß, dass er es wird. Das ist ja gerade das Verrückte an den Verrückten, dass sie sich selbst als normal bezeichnen.

Die Linken sind ja nicht grad deine Freunde, obwohl du optisch auch als Sozialarbeiter durchgehen würdest. Wie geht sich das denn aus?

Wenn wir schon beim Querdenken sind, kann man gleich mal die Kategorien „Links“ und „Rechts“ vergessen. Hatte erst kürzlich die Idee, Fotos von Hitler und Stalin nebeneinander zu drucken und oben drüber zu schreiben: „Gemeinsam sind wir stark!“ Querdenken funktioniert nicht in vertikaler Richtung. Als Querdenker sehe ich durchaus auch Potenzial für rechte Gutmenschen und linke Nazis. Ich bin eben kein Opportunist und gebe manchmal Meinungen von mir, die in meiner Branche nicht sehr angesehen sind. Die Schublade, wo ich hineinpasse, muss aber erst erfunden werden. Auch sehe ich nicht nur aus wie ein Sozialarbeiter – ich bin auch einer. Durch meine Bühnenprogramme habe ich vielen Leuten beim Lachen geholfen und ihnen andere Zugänge zur Meisterung des Daseins gezeigt. Ich habe also anderen geholfen, damit ich selber leben kann. Wenn das keine Sozialarbeit ist? Leider hat mich der Spaß 50 Prozent an Steuern gekostet.

So ernst kann ein Thema gar nicht sein, dass du es nicht mit deinem Humor überschüttest. Hast du auch tatsächlich ernste Momente und wenn ja, mit wem?

Sagen wir so – ich hab manchmal auch nicht ernste Momente. Das gesamte Leben ist ein ernster Moment mit tödlichem Ausgang. Was soll daran lustig sein? Man muss froh sein, wenn einem nix wehtut und sich auch sonst keine größeren Katastrophen abzeichnen. Ich kann grundsätzlich mit jedem Menschen ernste Momente durchleben, besonders aber mit meiner Freundin. Der ganze Beziehungskram ist nämlich echt kein Spaß. Da ist ja selbst das Leben dagegen noch lustig.

Magst du anderen Humor außer deinen eigenen und wenn ja, von welchen Kollegen?

Grundsätzlich interessiere ich mich eher für ernste Dinge und weniger für Humor, obwohl man den Humor auch ernst nehmen muss, um ihn überhaupt verstehen zu können. Trotzdem gibt es einige Kollegen, die ich gut finde: Leo Bassi, Chris Lynam, Josef Hader, Helge Schneider …

Was ist Humor überhaupt für dich?

Auf Wikipedia steht zu lesen: „Humor ist die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen“. So gesehen bin ich wahrscheinlich der humorloseste Mensch, der mir jemals begegnet ist. Humor ist für mich eher ein Ausweg aus der Falle des diskursiven Denkens.

Wo ist denn die Höhle, in die du dich zum Meditieren zurückgezogen hast?

Eine gibt es in der Steiermark und eine weitere auf Gomera.

Dein bestes Up und schlimmstes Down des Jahres 2016?

Mein bestes Up 2016 war wohl mein Comeback auf der Bühne nach fast zweijähriger Gesundheitspause. Mein schlimmstes Down hat mit der nächsten Frage zu tun.

Wie sieht es eigentlich mit deinem Sexualleben aus, wenn du dich schon über das anderer lustig machst? Da hört man so gar nichts? Gibt es eine Freundin?

Ich hab mich nicht über das Sexualleben anderer lustig gemacht. Das war ernst! Hahaha! In meinem neuen Programm The Making Of Dada mache ich mich aber zum Beispiel über mein eigenes Sexleben lustig, indem ich behaupte, dass mir in meinem Alter die Wampe bereits mehr steht als der Sch… – Und ja, ich hab eine Freundin … zu Weihnachten sind wir dann schon ein Jahr zusammen … da gibt es dann bestimmt wieder mal Sex … dafür aber brauch ich sonst keine Geschenke! Hahaha!

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