Putins Chirurgen: Die Nachtwölfe

Foto: Picturedesk

Rockergruppen gibt es viele, einige wie die Hells Angels sind weltberühmt oder weltberüchtigt. Doch eine Gruppierung hat es sich zum Ziel gesetzt, für das Vaterland und ihren Präsidenten einzutreten, und wenn es nötig ist, auch dafür zu sterben oder zu töten. alles roger? durchleuchtet Alexander Saldostanow, Gründer und Präsident des größten russischen Motorradklubs mit dem finsteren Namen Die Nachtwölfe. Text: Roland Hofbauer


Hör mal, wer da knurrt. Gegründet wurden die Nachtwölfe während der Perestroika und galten damals als alles andere als patriotisch, im Gegenteil, der Club eiferte den westlichen renommierten Bikerclubs wie den Hells Angels nach. Doch danach änderte sich die Grundidee der Wölfe, was vor allem an Gründer Alexander Saldostanow lag, der sich nach einem Treffen mit einem orthodoxen Priester als Retter Russlands sah.

Die Ziele von Saldostanow sind ganz klar: "Wir wollen einen Zusammenbruch des Staates und einen Umsturz mit allen Mitteln verhindern. Es ist unsere Aufgabe, das Vaterland zu retten. Jeder Umsturz schwächt den Staat, der zu einer Landmasse mit Menschen verkommt. Die farbigen Revolutionen führen in den Untergang. Die russische Demokratie ist echter und hat mehr Substanz als die des Westens, aber das hindert die ,Fünfte Kolonne? nicht daran, ihre Ziele weiter zu verfolgen. Das sind Kräfte, die im Auftrag ausländischer Interessen in Russland ihr Unwesen treiben. Sie waren zunächst überzeugt, Russland sei nur noch ein Selbstbedienungsladen. Bis in der Person Putins ein Präsident erschien, der ihnen das Gegenteil bewies. Dafür müssen wir ihn auf Händen tragen. Gott sei Dank für einen solchen Präsidenten."

Die Vaterlandsliebe und die Treue zu Putin veranlassten die Nachtwölfe zu sehr drastischen Maßnahmen. Zum 70. Jahrestag der Schlacht um Stalingrad organisierten die Wölfe in Wolgograd eine riesige Gedenkfeier. Hier wurden vor weit über 200.000 Besuchern Reden von Stalin bejubelt, und auch Klubchef Alexander Saldostanow meldete sich lautstark zu Wort: "Stalingrad ist für die Menschheit genauso heilig wie Jerusalem, Mekka und Bethlehem. Stalingrad ist eine flammende, feurige Ikone, versteckt unter einem nichtssagenden Pseudonym. Vor Stalingrad wurde ein mythischer Sieg errungen."

Obwohl Oberwolf Saldostanow und sein Club als nationalistisch, antiwestlich, christlich-orthodox und homophob eingestuft wird, hat er in Russland unzählige Anhänger. Sein größter Fan ist Präsident Putin selbst, obwohl die Beziehung mittlerweile eigentlich als echte Männerfreundschaft eingestuft werden muss. Im Sommer 2012 ließ Putin den damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mehrere Stunden warten, um mit den Nachtwölfen über die Straßen der Krim zu fahren. Für seine "patriotischen Verdienste" um Russland hat Putin Saldostanow im Februar 2013 eine Ehrenmedaille verliehen. Dafür lobte Saldostanow Putin öffentlich für dessen Bemühungen, Russlands alte Größe wiederherzustellen: "Ich verehre Präsident Putin und tue alles, damit ihm verschiedene Mächte nicht schaden können, ihm verdanke ich alles, was ich bin. Ich habe aber keine Standleitung zum Kreml, dennoch will er uns manchmal sehen, und das weiß ich zu schätzen. Ich bin stolz, dass er sich nicht zum Vasallen der Weltregierung machen lässt und Selbständigkeit beweist. Aber egal wann er uns braucht, wir werden da sein."

Das bewiesen die Nachtwölfe auch während der Krimkrise, als sie das russische Militär mit Leib und Seele unterstützten. Sie bewachten pro-russische Demonstranten in ostukrainischen Städten wie Charkiw und Luhansk, indem sie auf den Straßen patrouillierten und "Mahnwachen" vor Verwaltungsgebäuden hielten, und brachten während der Krimkrise mit ihren Motorrädern humanitäre Hilfsgüter auf die Halbinsel, richteten Kontrollpunkte ein, an denen sich Passanten auf Waffen kontrollieren lassen mussten, und patrouillierten auf den Straßen. Die Nachtwölfe sollen auch in mehrere Schusswechsel und kleinere Scharmützel verwickelt gewesen sein. Da sich sehr viele Ex-Elitesoldaten unter den Mitgliedern befinden, scheut sich der Bikerclub nicht, an der Front Stellung zu beziehen. Laut dem Präsidenten der Nachtwölfe wäre es jedem von ihnen eine Ehre und auch ihre verdammte Plicht, für ihr Vaterland zu sterben, aber auch zu töten. Von der Presse werden die Nachtwölfe auch als Putins Chirurgen bezeichnet, da sie jederzeit für heikle Operationen zur Verfügung stehen.

"Wir sind für unser Land zu allem bereit - ein Patriotismus, den man in Europa mittlerweile nicht mehr findet, kaum ein Christ oder Europäer ist bereit, für sein Land oder seinen Glauben an die Grenzen zu gehen. Wir sind hier, um unser Land zu verteidigen oder zumindest die Teile davon, die uns verbleiben. Wir werden es vor den Faschisten verteidigen, die an die Macht gekommen sind. So lasst es sie alle wissen. Wo immer wir sind, wo immer die Nachtwölfe sind, das sollte als Russland betrachtet werden", verkündete der Klubboss damals stolz.

Gegner und ehemalige Mitglieder der Nachtwölfe kritisieren Saldostanow scharf, bezeichnen ihn als Despoten, der gegen jeden ursprünglichen Ehrenkodex des Klubs verstoßen würde. Statt sich einer jährlichen Wiederwahl zu stellen, hätte der Big Boss der Nachtwölfe eine Diktatur durchgesetzt, und Kritiker würden drakonische Strafen erwarten. Der Klubchef ist aktuell unantastbar.

Für die EU, vor allem Deutsch-land, hat Saldostanow nur Unverständnis übrig und hinterfragt Entscheidungen: "Ich bin verwundert, dass Deutschland der US-Politik ohne Murren folgt. Wo die USA auftauchen, herrscht Chaos und fließt Blut. Die Amerikaner verfügen über eine neue Waffe: ich nenne sie die Theorie des lenkbaren Chaos, die nicht weniger wirksam ist als ein Atomsprengkopf. Ich hasse Amerika nicht, seine Politiker verachte ich aber. Amerikas Weltanschauung ist sehr begrenzt, sie besteht aus einem überschaubaren Satz von Phrasen und Lösungen. Unsere Erziehung und Bildung geht stattdessen in die Breite, wir sind keine engstirnigen oder hochgezüchteten Fachidioten."

Fakt ist, Alexander Saldostanow ist in Russland ein echter Rockstar. Wohin er kommt, er wird mit Jubel und Blumen empfangen. Über seine Ideale und Methoden lässt sich diskutieren, über seine Liebe zu Land und Volk definitiv nicht. Solange ihm Putin gewogen bleibt, wird der Oberwolf noch lange heulen, wenn die Sonne untergeht.

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