Vielerorts wurde der Mief voriger Jahrhunderte durch E-Government und eine neue Generation von Beamten ersetzt. Aber es gibt sie noch - die Refugien der Abzocke. Die Biotope der Nichtleister, die mit dem Selbstverständnis einer Marie Antoinette beide Hände tief in die Taschen der Steuerzahler stecken. Wo beiger Schnürlsamt und Birkenstock als Insignien der Macht getragen werden. Ein Leben ohne Existenzangst, ohne Leistungsdruck auf Kosten der Allgemeinheit. Wo Gehtnet, Gibtsnet und Wiedaschaun die meistgebrauchten Fachtermini für die Kommunikation mit den Bürgern sind. Und wo der vierte und letzte Fachterminus auch dem lästigsten Antragsteller die Sinnlosigkeit seines Wunsches nach Gerechtigkeit oder Hausverstand vor Augen führt: Vuaschrift.
Text:
Das Weinviertel in Niederösterreich. Ein kleiner Dienstleistungsbetrieb mit ein paar wenigen Mitarbeitern. Seit zwanzig Jahren wird hier gearbeitet und werden hier Steuern bezahlt. Die Geschäfte liefen immer gut.
Doch plötzlich wehte ein rauerer Wind. Einige Kunden schlitterten in die Insolvenz und das Unternehmen blieb auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Andere - teilweise große - Kunden kündigten die Zusammenarbeit auf, weil sie selber zu Sparmaßnahmen gezwungen waren. Es konnten zwar einige Neukunden gewonnen werden, aber das reichte bei Weitem nicht aus, um die Ausfälle zu kompensieren. Es mussten harte Entscheidungen getroffen werden.
Mitarbeiter wurden gekündigt und auch das Büro war nicht mehr länger leistbar.
Glück im Unglück: Im Nachbarort, nur sieben Autominuten entfernt, fand man geeigneten Ersatz. Kleiner, weniger repräsentativ, aber leistbar. Zweckmäßigkeit statt Grünlage.
Nach der Übersiedlung wurden alle zuständigen Stellen und Behörden ordnungsgemäß über die neue Firmenadresse informiert - Finanzamt, Sozialversicherung, Bezirkshauptmannschaft, Wirtschaftskammer, Energielieferanten ... Nur beim Firmenbuchgericht weigerte man sich, die neue Anschrift zur Kenntnis zu nehmen. Dies würde man nur, so wurde dem Geschäftsführer mitgeteilt, wenn die neue Anschrift notariell beglaubigt wird. Kosten inklusive Gerichtsgebühren: circa 2.000 Euro!
Das Argument, dass das Unternehmen ja nicht aus Jux und Tollerei ganze sieben Autominuten in den Nachbarort übersiedelt sei, sondern aus Geldnot und ob es angesichts dessen nicht eher obszön ist, dafür Gebühren in dieser Höhe zu verlangen, ließ man nicht gelten. Der Unternehmer musste bezahlen. "Vuaschrift is Vuaschrift."