Wenn Behörden Bürger terrorisieren

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Behörden sind dazu da, geltende Gesetze auszuführen. Möchte man meinen. Aber wenn Amtsträger wollen, können sie noch viel mehr. Mit­unter auch Lebenswerke zerstören.

Text: Klaus Flaißner

Dem einen werden ohne rechtliche Grundlage Obstbäume aus-, einem anderen eine riesige Halle abgerissen, ein Dritter muss zwangsweise die Führung seines eigenen, erfolgreichen Betriebs aufgeben und einem Vierten wird die Bewilligung eines Schlachtbetriebs entzogen, weil es eine Ministerin so wollte. Vier Fälle von Willkür seitens der Amtsträger.

FALL 1:
Obstbäume ausgerissen
St. Marienkirchen an der Polsenz ist ein idyllischer Ort zwischen dem Gemüseort Eferding und dem Kurort Bad Schallerbach in Oberösterreich. Das dachte sich auch das Ehepaar Hermann und Gertrude Weißenböck, als es 1995 hier ein Haus mit Grundstück kaufte. Sie zäunten ihren Grund - mit Zustimmung des damaligen Bürgermeisters - mit einem Schafzaun ein und pflanzten Obstbäume. Auch entlang eines schmalen, namenlosen, öffentlichen Feldweges.
Alles lief wie gewünscht - bis der damals neu gewählte Bürgermeister Josef Dopler (ÖVP) beantragte, den Weg ins Gemeindeeigentum überzuführen, was im Juni 1997 auch geschah. Im November 1997 kam ein Bescheid der Gemeinde: Die Weißenböcks müssten Weidezaun und Obstbäume auf ihrem Grundstück entfernen, da sonst die Abstandsbestimmungen nach dem österreichischen Straßengesetz nicht eingehalten würden. Die Weißenböcks legten Einspruch ein. Daraufhin ließ die Gemeinde im Juni 1998 von einem Amtssachverständigen des Landes Oberösterreich ein Gutachten anfertigen, wo plötzlich von einer "Straße" die Rede war. Jetzt stellte die Gemeinde den Entfernungsbescheid rechtskräftig zu. Dreizehn Jahre wehrten sich Gertrude und Hermann Weißenböck dagegen mit allen rechtlichen Mitteln - bis 2011 schließlich Mitarbeiter des Maschinenrings Grieskirchen mit Polizeibegleitung die Obstbäume ausrissen und den Zaun entfernten.

Es ist keine Straße da
Jeder, der den Weg gesehen hat, weiß: So kann keine Straße aussehen. Auf ihrer Fläche wächst in einem Jahr Gras, in einem anderen Mais. Auf Straßenkarten ist sie nicht zu finden. Der gerichtlich zertifizierte Sachverständige Joachim Kleiner erstellte ein Gutachten und erklärte: "Es ist und war keine Straße da, es findet kein Verkehr statt und es gelten die Abstandsbestimmungen nicht. Das Ganze ist eine reine Pflanzerei." Ein hochrangiger österreichischer Verwaltungsrechtsexperte ergänzt: "Hier handelt es sich um einen Verfahrensterror, der einen Bürger völlig entrechtet. Bezirkshauptmannschaft und das Land decken die Gemeinde und den Bürgermeister und machen sich so zu Mittätern."
Der Verwaltungsgerichtshof urteilte am 28. Februar 2013, dass bisher noch nie die Straßeneigenschaft des unbefestigten Feldweges festgestellt wurde. Mit anderen Worten: Alle Behörden gingen davon aus, dass die Behauptungen der Gemeinde wahr wären, es also eine Straße gäbe, und handelten dementsprechend falsch. Trotz dieses Urteils ging alles weiter wie bisher. Dieses Frühjahr erfuhr Weißenböck über das Amt der oberösterreichischen Landesregierung, dass die Straße nicht einmal am Papier existiert. Jetzt will er erst recht eine Wiederaufnahme des Verfahrens.
Inzwischen weiß er auch, warum die Behörden ihn bis heute terrorisieren: Vor dem Kauf des Anwesens wurde hier illegal mit landwirtschaftlichen Gütern gehandelt.

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FALL 2:
Halle abgerissen
Seit ein paar Monaten beherrscht ein riesiger planierter Platz den elterlichen Bauernhof von Heinrich Schmatz jun. Hier, in Langenlebarn in Niederösterreich, stand eine 2.200 Quadratmeter große und zehn Meter hohe Allzweckhalle. Sie wurde abgerissen. Landwirtschaftliche Maschinen und Geräte stehen unter freiem Himmel. Saatgut verschimmelte, Tischlerware, Unmengen an hochwertigen Ziegeln, die Träger der Halle und vieles andere wurden demoliert. "In China oder Nordkorea würde man sich so etwas erwarten, aber nicht in Österreich", erklärt Schmatz. Warum konnte dies passieren? Es gäbe Interesse, nach dem Tod seines Vaters im Vorjahr die Landwirtschaft zu zerschlagen und den Platz, wo die Halle stand, als Bauland zu verwerten, vermutet Schmatz.
Schmatz räumt ein, dass sein Vater bei der Einhaltung der Vorschriften aus Baubewilligungen säumig gewesen sei. Doch habe er immer wieder eine solche Baubewilligung erwirkt. Die letzte wurde - mit zahlreichen Auflagen - im März 2014 rechtskräftig. Dennoch drohte die Gemeinde bereits am 20. November 2014 neuerlich den Abbruch der Halle an. Am 18. September 2015 starb der Vater. Daraufhin habe er alles versucht, um die Halle, den Hof und die Landwirtschaft als Ganzes zu retten, erklärt Schmatz. Er pocht darauf, der berechtigte Übernehmer eines seit Generationen bestehenden Erbhofes zu sein - was gerade untersucht wird.

Halle im "ordentlichen Zustand"
Vor einigen Monaten überschlugen sich die Ereignisse: Am 10. Februar 2016 stellte Tullns Bürgermeister Peter Eisenschenk einen Räumungsbescheid für die Halle aus. Mit Zustimmung des Verlassenschaftskurators Matthias Mlynek brachte Schmatz den Antrag auf Baugenehmigung ein. Dennoch gab Mlynek am Sonntag, dem 21. Februar, den Abriss der Mehrzweckhalle frei, sie sei "einsturzgefährdet". Schmatz ließ zwei Baumeister kommen, die das Gegenteil feststellten. Einer errechnete, dass die Wiederherstellung der Halle rund 1,2 Millionen Euro kosten würde. Dennoch ließ der stellvertretende Tullner Bezirkshauptmann Josef Wanek den Abbruch ab dem 23. Februar ausführen.

Entscheidendes Urteil: Sanierung geht vor Abbruch
Schmatz konfrontierte die Ausführenden mit einem Urteil des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2000: Sanierung gehe vor Abbruch, heißt es darin. Daraufhin schrieb Verlassenschaftskurator Mlynek am 1. März eine E-Mail an die Bezirkshauptmannschaft: Der Abbruch sei "bedenklich", man solle zuwarten. Die Halle wurde trotzdem geschliffen. Aufgeben werde er auf keinen Fall, sagt Schmatz. Inzwischen habe er eine Klage eingereicht, um einen Wiederaufbau der Halle zu erwirken.

FALL 3:
Lebenswerk zerstört
Vor wenigen Monaten trat Karl Eder als Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer seiner eigenen Firma zurück. Er ging weder in Pension, noch wollte er sich ein gemütlicheres Leben machen, auch lief der Betrieb nicht schlecht. Ganz im Gegenteil: Seine Firma Bramburi, die bäuerliche Produkte, vor allem Kartoffel, vermarktet, ist profitabel und bei den zuliefernden Bauern beliebt.
Betriebsgründer Eder musste sich zurückziehen, um die Existenz seines Betriebes zu retten. Der war einigen Mächtigen offensichtlich ein Dorn im Auge, wie Eder in einer Aufstellung der Ereignisse sichtbar macht: So kritisierte der Raiffeisen Revisionsverband für NÖ und Wien den Einstieg der NÖ Saatbaugenossenschaft (NÖS) bei Bramburi im Jahr 2005 schwer. Die NÖS zog sich daraufhin bis 2012 zurück und Eder kaufte die Anteile zurück.
Daraufhin ging der Albtraum so richtig los: In der gleichen Woche flatterte dem Betrieb ein RSb-Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Zwettl ins Haus. Eder sei aus der eigenen Firma zu entfernen, hieß es hier - ansonsten werde der Firma die Gewerbeberechtigung entzogen. Begründet wurde dies mit "verwaltungsstrafrechtlichen Vorstrafen" von Eder.
Fortan wurde der Betrieb bis zu dreimal pro Woche und manchmal zweimal am Tag kontrolliert. Kleinste Bagatellen wie ein schlecht lesbarer Stempel am Kartoffelsack wurden von den Behörden zur Anzeige gebracht und mit Verwaltungsstrafverfahren geahndet. Ohne Rechtsanwalt ging nichts mehr. Am Hauptfirmensitz in Schweiggers kam es zu ganztägigen Betriebsüberprüfungen der kompletten Anlage durch die BH Zwettl mit bis zu 20 Personen. "Man kriegte das Gefühl: Die suchen und suchen und...", so Eder.
Ebenfalls ab 2012 gab es "zufällig" ebenso intensive Kontrollen durch die landwirtschaftliche Kontrollstelle AMA, die Finanz und die Gemeinde Hausleiten. Das AMA-Gütesiegel wurde wegen Bagatellen entzogen, konnte zurückgeholt werden und wurde - mit fast denselben Begründungen - eineinhalb Jahre später wieder entzogen. Die Folge: Großabnehmer REWE sprang ab. Der Bürgermeister der Gemeinde Hausleiten verbot wegen angeblich nicht bezahlter Kanalanschlussgebühren der Firma die Einleitung von Abwasser in den öffentlichen Kanal. Die Gerichtsverhandlung endete mit einem Vergleich. Es waren keine Gebühren offen und die Gemeinde Hausleiten hatte alle Verfahrenskosten zu tragen. Im September 2013 beschlagnahmte die Finanzverwaltung 212.000 Euro Umsatzsteuerguthaben der Firma aus dem Getreideeinkauf. Nach zwei Jahren gewann Bramburi vor dem Bundesfinanzgericht. Doch bis heute hat sich die Finanz laut Eder 150.000 Euro einbehalten.
Im Oktober 2015 kam es zur Berufungsverhandlung im Gewerbeentzugsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht in St. Pölten. Bramburi bot elf Zeugen zur "Entlastung" auf, darunter einen Obmann einer Bezirksbauernkammer, den Spartenleiter der Sektion Handel der NÖ Wirtschaftskammer und zwei Abgeordnete zum Nationalrat. Alle sagten aus, dass Bramburi ein ordentlich und korrekt geführtes Unternehmen ist. Trotzdem wurde dem Unternehmen die Gewerbeberechtigung entzogen.
Um den Betrieb zu retten, musste Karl Eder sein Eigentum mehrheitlich abgeben und einen neuen Geschäftsführer bestellen. Gekostet hat ihn der Spaß insgesamt 570.000 Euro. Daher musste Eder auch den Standort Hausleiten verkaufen. Neuer Eigentümer ist das Raiffeisen Lagerhaus Hollabrunn-Horn. Fazit des tapferen Kämpfers: "Eines haben wir gelernt - die Bürokratie, wenn sie will, gewinnt in Niederösterreich immer: Entweder man verliert den Kampf gegen die Paragraphen oder, wenn man sich wehrt, den Kampf um das Geld."

FALL 4:
Schlachtbetrieb abgewürgt
Der Gmundner Fleischhauer Hermann Gruber ist bei seinen Kunden sehr beliebt: Er führt regionale, hochwertige Produkte - von der Wurst bis zum Speck - zu einem fairen Preis. "Ich bin Handwerker und mache alles das selbst, was sonst fast keiner mehr macht", erklärt er. So war es für ihn nur logisch, die eigenen Mangaliza-Wollschweine selbst vor Ort und möglichst stressfrei in Attnang-Puchheim schlachten zu wollen. 2010 packte er die Gelegenheit beim Schopf und kaufte hier einen kleinen Schlachtbetrieb. Doch eine Frau hatte etwas dagegen: Ex-Finanziministerin Maria Fekter (ÖVP), die in der Nachbarschaft nicht nur ein Penthouse, sondern auch einen Schotterbetrieb hat. Fekter versuchte juristisch die Inbetriebnahme zu verhindern - wegen befürchteter "unerträglicher Lärm- und Geruchsbelästigung". Die Behörden machten Gruber Auflagen für Schall- und Geruchsschutz, die er auch erfüllte. Alles in allem hatte er nun 150.000 Euro investiert. 2011 erhielt er einen positiven Bescheid der Bezirkshaupmannschaft für die Schlachtung von höchstens 35 Schweinen, vier Rindern und drei Kälbern pro Woche. Doch Fekter erhob Einspruch - und holte zentral noch einen Moslem an Bord. Der Fall wanderte zum Unabhängigen Verwaltungssenat in Linz, dem ein fünfseitiges Gutachten vorgelegt wurde. Darin stand, dass Muslime "das Blut von Schweinen als unrein sehen". Demnach drohten muslimischen Kindern durch das Schlachten von Schweinen schwere traumatische Störungen. Das Töten von Lämmern sei hingegen in Ordnung, denn an dieses seien sie gewöhnt.
Tatsächlich entschied der Unabhängige Verwaltungssenat, es liege "Unzumutbarkeit" vor. Gruber legte Berufung ein - zwei Tier-Lkw pro Woche sollten bei einer je einminütigen Anfahrt unzumutbarer sein als die vielen Schotterfuhren bei Fekters Werk? Dennoch verlor Gruber 2014 vor Gericht. Er hatte nicht nur sehr viel Geld umsonst investiert, sondern musste auch das Fleischergeschäft in Attnang-Puchheim schließen und drei Mitarbeiter entlassen. Jedes Mal, wenn er in Attnang-Puchheim seinen voll funktionsfähigen Schlachtbetrieb sieht, bekomme er einen dicken Hals: "Es ist, als ob man einen Rolls Royce in der Garage stehen hätte und ihn nicht fahren kann." 

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