alles roger? war mittendrin. Die Straßenschlacht in Wien spielte sich im Rahmen einer Demo ab. Fanatiker griffen Leute mit Pfeffersprays an. Flaschen flogen durch die Luft, Böller krachten, Steine schossen in die Menge. Was die Medien verschwiegen: Die Gewalt ging von linken Extremisten aus. Die "Offensive gegen Rechts" ist um nichts besser als ihr erklärter Feind - und in Wahrheit radikaler. Es regiert der Wahnsinn.
Text: Thomas Köpf
Kein Hakenkreuz, kein Hitlergruß und keine braunen Hemden. Es war ein ruhiger Samstagnachmittag, dieser 11. Juni, lau vom Wetter und noch ohne Blut und Schmerzen. Ohne hassverzerrte Fratzen, die anderen den Tod ins Antlitz schreien. Kriege beginnen im Kopf.
Das Gebiet um die Wiener Stadthalle war gegen 14 Uhr großflächig abgesperrt. Tausend Polizisten in schwarzer Montur mit Helmen. Die Einsatzkräfte bildeten eine Trennlinie zwischen Links und Rechts. Der linke Block formierte sich außerhalb rund um den Kordon. Drinnen im Märzpark versammelten sich die Rechten: bald achthundert Identitäre. Das Ganze wirkte eher wie eine Bezirksveranstaltung der FPÖ oder ein Treffen von Nationalisten, die ihre Parolen skandierten. „Heimat, Freiheit, Tradition … Multikulti Endstation!“ – „Von Bregenz bis nach Wien … keinen Muezzin!“ – „Festung Europa … Macht die Grenzen dicht!“ Bloß ein paar stiernackige Glatzen hier und da. Sonst Leute, die den Eindruck erweckten, als gingen sie zu einem Konzert. Der Radetzkymarsch dröhnte aus den Boxen. Vom Podium herab Reden und Forderungen. Journalisten auf der Suche nach Entgleisungen. TV-Kameras, auf junge Gesichter gerichtet.
Kathi Reichinger, 18, Schülerin aus Salzburg, eine Identitäre. Ihr Freund war Gründungsmitglied und hatte sie einmal zum Stammtisch eingeladen. Sie schätzte, dass es Leute gibt, die „mich nicht gleich schief anschauen, wenn ich meine Meinung sage“. Ihre Meinung ist „ein Bekenntnis zu Europa, zur eigenen Herkunft und gegen unkon-trollierte Einwanderungspolitik“. Sie denke nun mal so und jeder, wie er glaubt. In ihrer Schule wollen sie allen Ernstes einen Tolerance Day einführen, bei dem alle Mädchen einen Tag lang Kopftuch tragen müssen. „Das möchte ich nicht“, sagte Kathi. Die Klasse denke anders. „Du bist scheiße, sagen sie zu mir.“ Lehrer machen zynische Bemerkungen, schauen Kathi scheel von der Seite an: „Es scheint, als hätten sich alle radikalisiert, als gebe es nur mehr zwei Lager. Und die Linken tun so, als wären sie im Recht. Seltsamerweise fliegen von deren Seite die Steine.“
Genau das zeigte sich eine Stunde später, nachdem der Tross Richtung Gürtel losmarschiert war. Fahnen schwenkend zogen die Demonstranten durch die Straßen, verkündeten ihre rechte Weltanschauung. Die Aktion war angekündigt; alles lief ab, wie man es sich erwartet hatte. Und dann kamen die Gegendemonstranten. Stellten sich in den Weg, um die Demo zu stören, zu verhindern. „Ihr gehört weg, ihr Schweine!“, kreischt ein Mann. „Wir werden euch ausrotten!“ Links gegen Rechts. Der neue Krieg der Gesellschaft. Freiheit war gestern, heute ist die Wut im Brennpunkt. Jetzt braucht es das erhobene Flammenschwert.
Der Zug der Demonstranten kam ins Stocken, hielt an. Hunderte Linke versperrten den Weg. Polizisten versuchten die Randalierer wegzuziehen, andere kamen, sprühten Tränengas, traten, spuckten, junge Frauen brüllten „Scheiß Nazis!“, „Nazis raus!“, „Dreckiges Nazipack!“ und streckten die Mittelfinger aus. Hass gegen das namenlose Böse. Die Situation eskalierte innerhalb von Sekunden. „Macht die Straße frei!“, riefen die Rechten. „Wir sind keine Nazis“, sagte Kathi. „Ich will, dass mir die Leute zuhören.“ Eine Flasche kam angeflogen, zerschellte auf dem Asphalt. Es knallte. Schüsse? Nein, Böller, Kanonenschläge. Sie hinterließen ein helles Nachklingen im Ohr. Leute im Pulk schauten nach oben. Wasserflaschen. Wer hat sie geworfen? Farbbeutel. Von wo? Eine Eisenstange wurde in die Menge geschleudert. Dann ein Steinbrocken. Er traf einen Identitären am Kopf. Der junge Mann strauchelte, fiel hin, verlor das Bewusstsein. Helfer trugen ihn weg. Die Rettung brachte ihn ins AKH. Was blieb, war eine Blutlacke auf der Straße. Ein roter Fleck.
Ringsum Linke mit Schildern „Flüchtlinge bleiben!“ und „Refugees welcome!“ Ein Johlen. Polizisten eilen herbei zum Schutz. Wären die Beamten nicht da, gäbe es Dutzende, vielleicht Hunderte Verletzte. Die Lage spitzte sich zu. Der Druck der Linken von außen gegen den Tross der Rechten innen. Wieder knallte es. Ein Hund, der mitmarschierte, duckte sich. Frauen, die mitgingen, einfach um mitzugehen, war die Furcht ins Gesicht geschrieben. Was ist hier los? Wa-rum waren die Gegendemons-tranten so aggressiv? Warum Steine statt Toleranz? Sind denn alle verrückt geworden?
Ja.
alles roger? war dabei. Mittendrin. Staunte. Beobachtete. Inhalierte den Hass. Dokumentiert die Unmenschlichkeit des Moments. Komparsen im Krieg. Es zeigte sich schnell: Hier geht es nicht um Politik. Sondern um eine Steinzeit-Gesellschaft, die auf ihr Faustrecht pocht. Die Regel ist einfach. Wenn du nicht meiner Meinung bist, schlag’ ich dir den Schädel ein. Ich hack dich einfach um. Die Schläger warteten auf ihre große Stunde. Sie waren vom selben Holz wie die Hooligans in Marseille oder sonst wo. „Rechts vermeiden“: ein Vorwand, um die Faust zu ballen und sie jemandem in die Fresse zu rammen.
Hannes, ein Linker Ende dreißig, versuchte das Ausmaß an Gewalt zu begreifen. „Das gibt’s ja nicht. Da mach’ ich nicht mehr mit.“ Er blieb stehen. Eine Straßenschlacht, außer Kontrolle geraten. Die Demons-tranten hielten beim Westbahnhof an. Bis nach Schönbrunn, dem geplanten Ziel, zu gehen, wäre lebensgefährlich gewesen. Abschlusskundgebung. „Wir haben uns richtig verhalten“, sagte der Sprecher. „Wer hier Gewalt verbreitet hat, das hat sich heute gezeigt.“
Nicht für die Medien. In der Zeit im Bild hieß es: „Neonazis haben sich in Wien versammelt. Dabei ist es zu Ausschreitungen gekommen.“ Als wären die Rechten die Aggressoren.
Der Kurier schrieb „Gewalt bei Identitären-Demo in Wien“. Als hätten die Identitären die Steine geworfen. „Linke Aktivisten hatten offenbar erfolgreich versucht, die Polizeiabsperrungen zu umgeben.“ Als wäre das eine Leistung.
Österreich schrieb: „Bei der Demonstration der rechtsradikalen Identitären gab es mehrere Verletzte.“ Kein Wort, wer das verursacht hat.
ORF.at schrieb: „Laut Polizei musste Pfefferspray eingesetzt werden, um sich gegen Attacken von Demonstranten zu wehren. Es kam zu Festnahmen.“ Wer hier wen angegriffen hat, wurde nicht näher erläutert.
Die Presse schrieb: „Die Polizei war plötzlich mit der Situation konfrontiert, dass sich die rivalisierenden Gruppen auf einer nicht genehmigten Route befanden – die Einsatzleitung war sichtlich überfordert.“ Aha. Hier war die Polizei schuld.
Die Krone schrieb: „Demo-Schlacht war wie Vorstufe zum Bürgerkrieg.“ Das trifft’s schon eher. Innenminister Sobotka: „Unter dem Deckmantel der Demonstrationsfreiheit Gewalt gegenüber Mitmenschen anzuwenden, ist in keiner Weise zu tolerieren, im Gegenteil: Es ist zu verurteilen.“
Kathi holte Luft. „Mein Ziel ist, nicht mehr Angst davor zu haben, meine Meinung zu sagen. Ich stehe in der politischen Mitte, nur
einen Schritt rechts. Leute plappern nach, was sie in den Medien lesen. Stellen nichts infrage. Ziehen keine Schlüsse.“ Sie hob eine Glasscherbe vom Boden auf, sah sie sich genau an und sagte: „Das ist aus der freien Meinung geworden.“