Wirtschaftsmotor Schwarzarbeit & Pfusch

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Registrierkassen, Steuerprüfungen, zusätzliche Finanzbeamte, Bonpflicht. Der Staat rüstet auf im Krieg gegen das Schwarzgeld. Aber ist es auch gut, wenn er diesen Krieg gewinnt? alles roger? hat mit dem Mann ge-sprochen, der mehr darüber weiß als jeder andere: Professor Friedrich Schneider, einer der führenden Ökonomen Europas.

Interview: Ernst Georg Berger

Herr Professor, Wieviel trägt der Pfusch zu unserer Wirtschaft bei?
Friedrich Schneider: Ein Teil des Pfusches oder auch Schattenwirtschaft stellt in Österreich eine zusätzliche Wertschöpfung von rund 15 Milliarden Euro dar. Das entspricht in etwa sechs bis sieben Prozent des BIP.

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Das System Schwarzarbeit/Pfusch hat in Österreich fast Tradition und funktioniert seit Jahrzehnten. Warum wird jetzt so plötzlich dagegen gekämpft?
Der Finanzminister hat mit der Registrierkassenpflicht eine scharfe Maßnahme gesetzt, die grundsätzlich richtig ist. Das Kaufen der neuen Registrierkassa sorgt natürlich für Erregung, da laut Studien nicht einmal drei Prozent der Österreicher den Pfusch als Unrecht sehen, geschweige denn einen Pfuscher anzeigen würden. Pfusch führt dazu, dass man sich ein größeres Haus oder überhaupt ein Haus leisten kann, das im Pfusch verdiente Geld fließt sofort in die Wirtschaft zurück, womit auch große Teile der Wirtschaft vom Pfusch profitieren.

Was sind die Auswirkungen?
Sollte der Finanzminister generell mit der Pfusch-Bekämpfung großen Erfolg haben, das heißt der Pfusch würde beispielsweise um 50 Prozent sinken, würde der Lebensstandard von vielen sinken, unsere Wirtschaftsleistung, unser BIP, wäre mit einem Schlag um mindestens zehn Milliarden tiefer. Und die Politiker wissen das ganz genau. Also haben nur wenige Personen Interesse - außer dem Sozial- und Finanz-Minister - den Pfusch wirklich zu bekämpfen. Sicher, es gibt auch Verlierer: Die Sozialversicherungsträger und die zum Teil fehlenden Steuer- und Sozialversicherungsbeitragseinnahmen. Ebenso diejenigen, die nicht selbst im Pfusch arbeiten oder arbeiten lassen. Es ist nicht so, dass der Pfusch nur positive Aspekte hat. Er hat beides. Es ist nicht simpel schwarz-weiß, wir reden hier von jeder Menge Grau-Schattierungen.

Wenn Sie sagen, dass das im Pfusch verdiente Geld sofort in die Wirtschaft zurückfließt, denkt man doch als Laie: Das kann so schlecht nicht sein.
Stimmt, dieses Geld ist unmittelbar wertschöpfungswirksam, und die Leute pfuschen nicht fürs Sparbücherl. Nicht einmal früher war das so, als es noch Zinsen gab. Die pfuschen , weil sie zweimal im Jahr auf Urlaub fahren wollen, weil sie sich das Zweitauto finanzieren wollen oder was auch immer. Das im Pfusch verdiente Geld wird sofort wieder ausgegeben, fließt also in den Wirtschaftskreislauf zurück.

Wäre es gut, wenn man den Pfusch komplett unter Kontrolle der Regierung bekommt?
Nein, denn der Pfusch ist auch eine Reaktion auf ausufernde Staatsaktivitäten und Regulierungen. Wenn man es komplett kontrollieren könnte, müsste alles versteuert werden, dann gäbe es jedes zweite, jedes dritte Einfamilienhaus nicht. Dann wären viele Konsumwünsche für Herrn und Frau Österreicher nicht mehr zu erfüllen.

Klingt kontraproduktiv.
Wenn ich pfusche, arbeite ich, ich tue etwas Produktives, ich leiste etwas, und die Reaktion, warum viele pfuschen, ist ja auch ein Reflex auf die hohen Lohnnebenkosten, die wir gerade haben. Und ein Reflex auf die überbordende Regulierung. Also es ist zum einen die Steuer-Rebellion des kleinen Mannes und zum anderen ein klares Signal: Du Staat, greif nicht zu viel ein, oder wenn du das machst, dann weich ich in die Schwarzarbeit aus.

Im Augenblick kommen viele Asylanten, die zum Teil durchaus qualifiziert sind, vor allem im handwerklichen Bereich. Wie wird sich das auswirken?
Die werden ja, sobald sie hier sind, etwas Deutsch können, sonst geht es nicht. Auch wenn ich ein geschickter Handwerker bin, muss ich mich mit dem Auftraggeber verständigen können. Wenn ich die Arbeitsbeschränkungen aber so beibehalte, und die Aufenthaltsbewilligungen weiter so lange dauern, wird ein Teil der Flüchtlinge pfuschen. Ich finde es selbstverständlich, dass man Flüchtlinge aufnimmt und bereit ist, für sie Geld auszugeben, Wohnraum zu schaffen und so weiter. Dann muss es aber auch heißen: Ich erwarte vom ersten Tag an eine Gegenleistung, in dem Sinne, dass die Sprache gelernt wird und man durch freiwillige Arbeit dem Gastland etwas zurückgibt.

Kann man Asylanten schon so früh in den Arbeitsmarkt integrieren?
Wir hätten genügend Jobs, die gemacht werden müssen. Und nein, wir beuten die Menschen nicht aus, sie bekommen nicht wie in der Türkei zwei Euro die Stunde, sie kriegen den Mindestlohn, damit das Ganze auch eine Fairness hat. Dann hat der sein eigenes verdientes Geld, das würde 1:1 von der Grundsicherung abgezogen, und der Asylant würde was tun. Dann würden die sich auch viel schneller integrieren. Das stärkt das Selbstbewusstsein der Leute und die Bereitschaft Deutsch zu lernen.

Zurück zur Jagd aufs Schwarzgeld. Wie beurteilen Sie die Initiativen?
Das Registrierkassen-Beispiel ist aus meiner Sicht durch den Kauf der Registrierkassa (ohne Vergütung von Seiten des Staates für alle) ein negatives Beispiel. Ich finde es aus Sicht der Steuer- und Staatsmoral schlecht, wenn Sie durch zusätzliche Ausgaben dem Staat beweisen müssen, dass Sie steuerehrlich sind. Der Ehrliche wird bestraft.

Also ist der Status das Übel?
Es krankt am politischen System in dem Sinn, dass wir viel zu selten einen Regierungswechsel haben. Ich würde auch meinen, man sollte wie in Amerika die Amtszeit eines Bundeskanzlers auf maximal drei Legislatur-Perioden beschränken. Das sind bei uns 15 Jahre und das ist ganz schön lang, da kann einer viel gestalten, und dann soll der Nächste drankommen.

Danke für das Gespräch.

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