Immer mehr Dinge des täglichen Lebens bekommen ein Gehirn. Und gehen ans Netz. Vom Thermostat bis zum Kühlschrank. Das Internet of Things soll die Welt verändern und das Leben erleichtern. Innovativ und nützlich sind die Produkte und Ideen der Entwickler. Groß und nicht unberechtigt die Sorgen und Befürchtungen der Nutzer.
Text: Helmut Berger
Ein schöner Morgen in einem netten Vorort in nicht allzu ferner Zukunft. Heute müsste man wegen einer Besprechung eigentlich früher aufstehen als sonst. Aber während man noch schläft, verschiebt der Chef das Meeting um eine Stunde nach hinten. Die Information wird weitergegeben, von Smartphone zu Smartphone. Und das kümmert sich um den Rest. Es registriert einen Stau am Weg zur Park-&-Ride-Garage. Dreißig Minuten Verzögerung. Vom Auto bekommt es den Hinweis, dass man noch tanken muss. Fünf Minuten Verzögerung. Wenigstens ist die U-Bahn pünktlich, weiß das gescheite Telefon. Und stellt den Wecker von 6:30 auf 6:55. Außerdem schickt es ein paar Signale aus. An die Jalousien, damit sie die Sonne später hereinlassen. An die Kaffeemaschine, damit sie den Cappuccino erst in 25 Minuten macht. Und an das Auto, damit es an diesem heißen Tag den Innenraum rechtzeitig herunterkühlt. Alles ist geregelt. Noch bevor man die Augen aufmacht. Das ist praktisch. Und bequem. Aber nicht ungefährlich.
Rückblick und Vorschau
Das Internet of Things revolutioniert den Alltag und verändert die Welt. Angefangen hat alles, so erzählt man sich, im Jahre 1982. Als Mitarbeiter der Carnegie Mellon University einen Cola-Automaten ans Netz anschlossen. Der meldete, wie viele Dosen noch vorrätig und ob die auch kühl genug waren. Heute verbinden sich immer mehr Gegenstände miteinander. Von großen Fertigungsrobotern in der Industrie bis zu kleinen Sensoren am Körper. Sie kommunizieren untereinander, sammeln, analysieren und verteilen Daten und sollen so die Menschen in ihren Tätigkeiten unterstützen. Beispiele gibt es viele. Und es werden immer mehr.
Kühlschränke mit Touchscreens, die anzeigen, wann die Lebensmittel ablaufen und wie das Wetter wird. Selbstfahrende Autos, die untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur vernetzt sind. Thermostate, die erkennen, wo man sich in der Wohnung befindet, und die Heizung aufdrehen, wenn es draußen kalt ist. Eine App, die, während man sich die Zähne putzt, schon anzeigt, ob man das auch richtig macht. Glühbirnen, die beim Empfang einer E-Mail blinken, sich automatisch einschalten, wenn man nach Hause kommt, und in verschiedensten Farben strahlen können. Fernseher, die die Sehgewohnheiten kennen und entsprechende Filme vorschlagen. Socken mit textilen Sensoren, die darauf achten, ob man richtig läuft. Ein Briefkasten, den man vom anderen Ende der Welt für Lieferanten öffnen und wieder schließen kann. Smarte Systeme, die das Verhalten in der Wohnung analysieren und zum Beispiel nachschauen, ob der Herd ausgeschaltet ist, wenn man länger in der Küche war. Vieles davon ist heute schon möglich. Das meiste andere nur eine Frage der Zeit.
„Seit 2008 sind schon mehr Geräte mit dem Internet verbunden, als Menschen auf diesem Planeten leben“, sagt Dave Evans, Chef-Futurologe der IT-Firma Cisco. 2010 waren es 12,5 Milliarden Geräte. 2020 sollen es 50 Milliarden sein. Manche Schätzungen gehen sogar vom Doppelten aus. Denn das Internet der Dinge ist noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und es sind längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Die technische Revolution steht erst am Anfang.
Risiken und Nebenwirkungen
Die Vernetzung hat natürlich viele Vorteile. Sie erleichtert nicht nur das Leben und nimmt einem alltägliche Aufgaben ab. Intelligente Geräte können auch Arbeitsprozesse automatisieren und optimieren, die Sicherheit erhöhen, Wissenschaftler bei ihrer Forschung unterstützen, Gesundheit und Wohlbefinden fördern oder dabei helfen, Ressourcen und die Umwelt zu schonen. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Aber die Risiken nicht zu unterschätzen. Denn jedes dieser Geräte sammelt Daten, die in einer Cloud verarbeitet werden. Und die klarerweise genutzt werden, damit man die Menschen besser einschätzen und individuelle Angebote machen kann.
Wann man aufsteht.
Wann man das Licht ein- und ausschaltet. Wie man den Kaffee am liebsten trinkt. Wie oft und was man einkauft. Wie viele Kilometer man jährlich mit dem Auto unterwegs ist. Von wann bis wann man im Büro ist. Wo man sich sonst noch aufhält. Wie viele Schritte man täglich macht. Wie es um die Gesundheit steht. Und so weiter. Und so fort. Je mehr vernetzte Geräte man verwendet, desto größer wird die Datenmenge. Und die Gefahr. Denn nicht nur, dass man nicht so genau weiß, wer darauf Zugriff hat, wer sich Zugriff verschafft, welche persönlichen Informationen im Netz landen und was damit sonst noch geschieht. Die Geräte selbst sind natürlich auch beliebte Ziele von Hackerangriffen.
Sicherheitsexperten von Hewlett-Packard haben zehn Produkte getestet. Welche das sind, wollte man nicht verraten. Aber durchschnittlich hat man 25 Sicherheitslücken gefunden. Pro Gerät. Neun der zehn Produkte sammelten Daten, die sie nicht brauchen. Und sieben verzichteten bei der Übertragung der Daten auf eine Verschlüsselung. Ohne Frage arbeitet man ständig daran, die Sicherheit zu erhöhen. Aber immer wieder sind smarte Produkte aufgrund ihrer aufgedeckten Schwachstellen in den Schlagzeilen. Und schon schaut der Alltag in naher Zukunft ganz anders aus. Morgens findet man ein Schreiben der Krankenkasse im Briefkasten, in dem steht, dass die Beiträge erhöht wurden. Das Fitnessarmband hat berichtet, man habe im vergangenen Halbjahr kaum Sport gemacht. Hacker spionieren einen über die Überwachungskamera und das Babyfon aus, öffnen ruckzuck das internetfähige Türschloss und übernehmen die Kontrolle über das Auto. Und natürlich werden einige Geräte auch Jobs übernehmen, die jetzt noch Menschen erledigen. Allerdings werden andere Arbeitsplätze geschaffen. Trotzdem: Das Internet der Dinge ist mit Vorsicht zu genießen und mit Bedacht zu nutzen. Das Potenzial ist gigantisch. Aber noch fehlen allgemeingültige Standards und klare Regeln. Die Technik ist momentan nicht ganz ausgereift. Und auch wenn man die Sicherheit vermutlich nie garantieren kann, so lassen sich zumindest noch so manche Lücken schließen. Diese Revolution, sie hat eben gerade erst begonnen.