Christian Fuchs darf nicht nur das österreichische Nationalteam als Kapitän zur EM in Frankreich führen, er ist auch mit Leicester in der Premier League an der Tabellenspitze. Eine Kombination, die vor nicht allzu langer Zeit für einen rot-weiß-roten Kicker eher Utopie war. alles roger? bat den bald 30-jährigen Spitzen-fußballer vor den ersten Testspielen gegen Albanien und die Türkei zum Interview.
Interview: Martina Bauer
1995 wurden die Blackburn Rovers englischer Meister. Seither trugen die Champs auf der Insel ausnahmslos einen der vier großen Namen. Wie fühlt es sich an, mit Leicester die Tabelle anzuführen?
Das ist einfach eine geile Geschichte, die da grad läuft. Wir haben so viel Spaß und genießen den Moment. Wir sind stolz und wollen mehr, aber wir können uns auch selber einschätzen. Voriges Jahr waren wir noch unten.
Liegt vielleicht darin das Geheimnis? Im Hier und Jetzt zu kicken, anstatt in der Zukunft?
Kann sein, weil wir uns keine Gedanken um das Was-wäre-wenn machen. Den Druck haben die anderen. Die müssen Meister werden. Wir haben Spaß daran, die zu ärgern, und wollen die Spiele gewinnen.
Die Saison dauert noch ein paar Wochen..
Ja, da kann noch viel passieren, aber jetzt ist es einfach super.
Wird in England noch so gefeiert, wie es die Legende erzählt?
Bei den Fans vielleicht, aber wir können uns das nicht leisten. Du bist da körperlich so gefordert, da ist keine Zeit für Party. Nach dem Sieg gegen Man City bin ich heimgefahren und habe es mir gemütlich gemacht.
Was ist derzeit schöner für Sie, die Führung in der Premier League oder die bevorstehende EM?
Die Euro ist einfach noch zu weit weg. Hier ist mein tägliches Geschäft und das lebe ich jetzt. Dann geht es zur EM.
Die Testspiele sind nicht mehr so weit weg. Es warten Albanien, die Türkei und Malta. Gegen Malta hat Österreichs Nationalteam mit 9:0 den höchsten Sieg ever eingefahren. Was erwarten Sie von den Spielen?
Wir nehmen die Tests ernst. Das ist unser Anspruch, dass wir Gas geben, egal wer gegen uns spielt. Wie der Name ja sagt, wird da auch getestet, aber primär ist es unsere EM-Vorbereitung, und da müssen wir auch schauen, dass wir unsere Spielphilosophie auf den Platz bringen, dass wir uns wieder annähern. Wir haben uns so weit entwickelt, dass wir aber sowieso alle wissen, worum es geht.
Angst vor großen Namen müssen Sie ja keine mehr haben ...
Angst ist sowieso nicht angebracht und die habe ich schon lange nicht mehr. Das ist unser Geschäft und es ist egal, wie der Gegner heißt. Man muss einfach immer Gas geben. Mit dem Erfolg wächst aber natürlich auch das Selbstvertrauen, und vor Ehrfurcht erstarren bringt wirklich nichts. Man muss immer sein Bestes geben.
Sie sagen, dass der Spirit der Mannschaft den Erfolg bei Leicester ausmacht. Gilt auch im Nationalteam ,Nur gemeinsam sind wir stark‘?
Ich glaube schon, dass der Teamgeist so stark gewachsen ist, dass wir damit auch größere Nationen schlagen könnten. Das ist ähnlich wie bei Leicester. Wir funktionieren als Mannschaft so gut. Es ist immer besser, insgesamt ein gutes Team zu haben als einzelne Individualisten.
Macht es Sie mehr stolz oder demütig, Kapitän des ÖFB-Teams zu sein?
Es ist von allem ein bisschen. Ich bin ja schon so lange in der Mannschaft und habe viele Schatten gesehen. Das waren nicht nur rosige Zeiten, als wir irgendwo rumgeschwommen sind. Also bin ich schon stolz auf das, was wir als Mannschaft geschafft haben. Ich bin Teil des Teams und auch demütig, weil wir uns zwar qualifiziert haben, aber das haben viele andere auch. Erreicht ist damit noch lange nichts. Ich mag meine Rolle. Ich gehe gerne voraus und gebe auch gerne Gas.
Was sagen Sie zu unseren EM-Gegnern. Kennen Sie Namen der Isländer?
Sigurdsson spielt ja bei Swansea und einer kickt mit Janko bei Basel. Das sind auch keine ,No Names‘. Ungarn hat ebenso internationale Spieler. Bei denen ist es ähnlich wie bei uns, die haben sich auch nach längerer Zeit wieder mal qualifiziert. Vielleicht sind die Namen nicht so toll, aber die Gruppe ist richtig gefährlich. Vor allem wissen wir, wie sehr man über sich hinaus-wachsen und was Euphorie bewirken kann.
Euer Konditionstrainer Roger Spry sagt, dass Österreich das fitteste Team der EM stellt. Würden Sie das unterschreiben, und schiebt ihr dafür Sondereinheiten?
Roger hat so viel Erfahrung, dass er schon wissen wird, was er sagt. Ich weiß, dass wir über 120 Minuten gehen können, und zwar ohne Probleme. Wir haben eine tolle Vorbereitung.
Teamkollege Kevin Wimmer ist Ihnen in der Premier League mit Tottenham Hotspur auf den Fersen. Rennt da der Schmäh?
(Lacht) Ich freue mich sehr für ihn, dass er spielt, aber über die Premier League reden wir nicht so viel.
Sie haben ihn auf Facebook zum Papierkugel-Gaberln herausgefordert. Die Challenge hat er aber noch nicht angenommen ...
Nein, aber er hat gesagt, er wird es machen.
Vielleicht übt er ja noch ... Fans meckern über das neue EM-Auswärtstrikot. Wie gefällt es Ihnen?
Mir ist das eigentlich egal, wie die Dressen aussehen. Wenn wir gut spielen, dann feiern wir in jedem Dress. Ich bin ja Fußballer und kein Model, auch wenn ich eines sein könnte.
Sie haben in New York die Fox Soccer Academy für Kids gegründet. Heuer im Sommer gibt’s von der FSA auch erstmals ein Camp in Steinbrunn im Burgenland. Haben Sie dafür überhaupt noch Zeit?
Klar bin ich im Moment zeitlich limitiert, aber es ist mir echt ein Anliegen, dass ich mit den Kleinen auch am Platz stehe. Die Nachfrage steigt, weil es den Kids so getaugt hat, und das freut mich.
Sie bauen also für ein Karriereende in den USA vor. Ihre Frau und die Kinder leben ja in Manhattan ...
Ja, und ich bin ein absoluter Familienmensch. Die wochenlange Trennung ist nicht meins. Der Große geht ja jetzt schon in die Schule, und das Schulsystem ist drüben einfach so gut, darum haben wir uns so entschieden.
Ist es noch weit bis zur Fußballerpension?
Mein Vertrag läuft bei Leicester noch zwei Jahre, und dann werde ich nach Manhattan gehen.
Vorerst aber viel Erfolg in England und in Frankreich. Danke für das Interview.
»Wir machen uns keine Gedanken um das Was-wäre-wenn. Den Druck haben die anderen. Die müssen Meister werden. Wir haben Spaß daran, die zu ärgern.«
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